Wenn man im südlichen Teil von Afrika einer Frau, die man eine Weile nicht gesehen hat, sagt, sie hätte zugenommen, ist dies ein Kompliment für ihre gute Gesundheit. In Europa, Nordamerika und Australien ist das eine Beleidigung.
Wenn dein hörender Chef sagt, ?Es wäre gut, wenn du diese Arbeit vielleicht bis morgen zu Ende bringen kannst!?, möchte er,
dass die Arbeit morgen fertig ist. Er gebraucht eine sehr höfliche Form der Aufforderung, was er damit meint, ist aber: Deine Arbeit muss morgen fertig sein! Würde ein gehörloser Chef den Auftrag auch so formulieren?
Was hat das mit interkultureller Kompetenz zu tun? Interkulturelle Kompetenz ist das Können (Kompetenz) sich in verschiedenen Kulturen (interkulturell = zwischen Kulturen) zu bewegen, ohne dass die Kommunikation schief läuft.
Im ersten Fall gehört zur interkulturellen Kompetenz, dass man weiß, wie man einer Kollegin, Freundin oder Geschäftspartnerin aus unterschiedlichen Kulturkreisen schmeichelt. Im zweiten Fall besteht die interkulturelle Kompetenz darin, dass man unterscheiden kann, wie in Gebärdensprache (Kultur der Gehörlosen) formuliert wird und wie in Lautsprache (Kultur der Hörenden), obwohl das Gleiche gemeint ist.
Doch interkulturelle Kompetenz zeigt sich nicht nur im sprachlichen Miteinander, auch im nonverbalen Handeln kann sie wichtig sein. So umarmen sich gehörlose Kollegen oft, wenn sie z.B. aus dem Urlaub in die Firma zurückkommen. Hörende Kollegen machen dies meistens nur, wenn sie auch privat sehr gut befreundet sind. Auch in diesen Situationen ist es wichtig, einschätzen zu können, welche Bedeutung ein Ritual wie das Umarmen für sein Gegenüber hat.
Interkulturelle Kompetenz ist ein übrigens ein Soft Skill, dass du ganz sicher auch in einer Bewerbung erwähnen kannst. Insbesondere dann, wenn du als Gehörloser (man könnte auch sagen als Angehöriger einer sprachlich-kulturellen Minderheit) ständig mit der Kultur der Hörenden konfrontiert bist und damit umgehen musst.